Was für Paris der Eiffelturm, für London Big Ben und Berlin das Brandenburger Tor, das ist für Brüssel das Atomium. Aber nicht nur deshalb war das Wahrzeichen ein Muss-Ziel unserer Reise, Tobias hatte den überdimensionierten Eisen-Kristall – gut informiert durch eine Mitschülerin – bereits vorab zu seinem persönlichen Highlight unseres Urlaubs erkoren.
Wegen der enormen Größe des Monumentes ist seine Spitze bereits von der Autobahn aus sichtbar, was dabei half, die richtige Richtung zu finden (Unser Navi hatte an diesem Tag plötzlich alle Karten verloren, so dass es leider als Unterstützung ausfiel). Einmal von der Autobahn abgefahren mussten wir uns für die Zielanfahrt aber auf die Beschilderung verlassen, die – offensichtlich landestypisch – oft erst auf dem letzten Meter angebracht ist, widersprüchlich, lückenhaft und diffus ist und so eher zur Verwirrung beiträgt. Den Höhepunkt stellte sicherlich der Abbieger zu Expo und Atomium dar, der nach 100m im Feld endete.
Mit viel Gefühl und der richtigen Nase für Himmelsrichtungen erreichten wir dennoch glücklich unser Ziel. Da wir immer noch früh dran waren, konnten wir nah am Atomium parken, fanden eine noch recht überschaubare Kassenschlange vor und ehe wir es uns versahen ging es schon mit 5 m/s im Fahrstuhl aufwärts. In der obersten Kuppel angekommen, bekamen wir einen weiten Rundblick über Brüssel und das gesamte Umland, inklusive des neben dem Atomium liegenden Miniatur-Europas mit vielen bekannten Bauwerken. In der obersten Ebene der Kuppel ist ein Restaurant untergebracht, in dem man bei Vorbestellung und Verpfändung seines Hauses ein Essen mit Ausblick genießen kann. Netterweise gibt es für alle Besucher, die entweder keine Häuser zu verpfänden haben oder wertvolles Essen gerne in stilvollerem Ambiente zu sich nehmen, die Möglichkeit, den Ausblick und das Gefühl, ganz oben zu sein, bei einem Drink an der Bar zu genießen.
Nachdem der Fahrstuhl uns wieder ins Erdgeschoss befördert hatte, erkundeten wir die restlichen Kugeln zu Fuß. Der Wechsel zwischen den Kugeln erfolgte dabei durch die von außen sichtbaren Röhren über Treppen und Rolltreppen, innerhalb der Kugeln gab es sowohl wechselnde Themenausstellungen, als auch umfassende Informationen und Dokumente zur Historie des Atomiums. Für die Weltausstellung 1958 erbaut, sollte es ursprünglich nur 6 Monate stehen bleiben. Da es sich aber als Publikumsmagnet entpuppte und die Ingenieure die Dauerhaftigkeit der Konstruktion offensichtlich mit viel Puffer versehen hatten, ließ man es stehen. 2004-2006 musste es schließlich doch einmal grundlegend saniert werden, um es auch weiterhin als Wahrzeichen erhalten zu können.
Die Expo 1958 war die erste Weltausstellung nach dem zweiten Weltkrieg und fiel in die Gründungsjahre der Europäischen Union. Mit zahllosen Bildern und Ausstellungsstücken erhielten wir im Atomium einen kleinen Einblick in die Aufbruchsstimmung und den Innovationsgeist der damaligen Zeit.
Nach Palast, Parlament und Atomium fehlte bei unserem Brüssel-Besuch jetzt nur noch Brüssel. Also gestalteten wir die zweite Hälfte des Tages als Stadtbummel – jedenfalls, nachdem wir uns ohne Navi durch das Gewirr von Beschilderung und Einbahnstraßen gekämpft hatten (Wobei man den Richtungspfeilen zum Parkhaus folgend gegen die Einbahnstraße hätte fahren müssen, wozu uns aber mit einem Polizeiauto im Nacken der nötige Mut fehlte).
Das Mittagessen bestand natürlich aus Pommes, für den Nachtisch versorgten wir uns in den zahlreichen Pralinen-Geschäften mit einer wohlbemessenen Dosis luxuriöser Leckereien. Fasziniert haben uns dabei die Schaufenster-Dekorationen – die Schokoladen-Boutiquen präsentieren ihre Köstlichkeiten ähnlich edel, wie Juweliere ihren Schmuck.
Ein optisches Highlight war auch der Grand Place. Anders als die gleichnamigen Plätze in anderen belgischen und niederländischen Städten wird er zu allen Seiten von Häusern gesäumt und ist nur über dazwischen liegende Gassen zugänglich. Das gibt ihm einen ganz eigenen Charakter und macht ihn tatsächlich als in sich geschlossene Einheit erfahrbar. Die Zunfthäuser mit ihren prunkvollen Fassaden und das imposante Rathaus kommen so noch viel besser zur Geltung, auch wenn der “große Platz” durch die Geschlossenheit flächenmäßig gar nicht mehr so groß wirkt.
Ganz in der Nähe des Platzes steht das berühmte, ständig Wasser lassende Männchen, dem wir natürlich auch einen Besuch abstatteten. Heutzutage hat es offensichtlich seinen eigenen Herrenausstatter – bei unserem Besuch trug es einen uniformartigen Anzug, der inzwischen aber schon im Museum neben allen anderen bereits getragenen Kollektionen ausgestellt sein dürfte.
An dieser Stelle unseres Rundgangs stärkten wir uns mit ein paar Brüsseler Waffeln. Diese kann man mit verschiedensten Toppings bestellen und sie schmecken echt gut. Jetzt fehlte uns nur noch eine Brüsseler Spezialität: Häuser-Comics (sicherlich die Kalorien-ärmste Spezialität unseres Belgien-Aufenthaltes 😉 ).
Viele bekannte Comics wie Asterix, Lucky Luke, Tim & Struppi stammen aus Belgien und die Brüsseler würdigen diesen Umstand, indem sie ihre Fassaden mit Szenen der Helden verschönern. Wir gingen den für uns interessanten Teil des im Stadtplan markierten Comic-Rundgangs und fühlten uns dabei wie auf einer spannenden Schnitzeljagd: Wer sieht den Comic zuerst?
Mehr zufällig begegnete uns, während wir uns nach der letzten Comic-Station erschöpft zum Auto schleppten noch eine Kathedrale, die verdächtig nach Notre Dame aussah. Natürlich nutzten wir die Gelegenheit, um noch einen Blick hinein zu werfen und erfuhren dabei, dass sie Saint Michel heißt und von der königlichen Familie z.B. für Hochzeiten genutzt wird.
Wieder am Auto angekommen, schlugen wir uns nach Gefühl durch die Straßen der Stadt. Auch wenn wir am Ende sowohl die Autobahn, als auch unseren Campingplatz erreichten, sind wir ganz froh, dass niemand unseren Weg aufgezeichnet hat. Aus organisatorischen Gründen war es für uns diesmal zwar praktischer, den PKW zu nehmen, aber das nächste Mal werden wir definitiv mit dem Zug nach Brüssel reisen. Einen Besuch wert ist die Stadt auf jeden Fall, vielleicht allerdings nicht gerade während einer Diät…